Redebeiträge der Kundgebung am 08.02. in Reutlingen

Anbei die Redebeiträge, welche im Rahmen der Kundgebung gegen den AfD Neujahrsempfang am 08.02. auf dem Marktplatz gehalten wurden.

1. Redebeitrag ROSA (Reutlingen for Organisation, Solidarity & Actions)
2. Redebeitrag OTFR (Offenes Treffen gegen Faschismus & Rassismus) Tübingen
3. Grußwort DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund)
4. Redebeitrag Kulturschock Zelle e.V.
5. Redebeitrag Ruben Neugebauer (Sea-Watch)
6. Redebeitrag Jessica Tatti (Die LINKE)

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1. Redebeitrag ROSA (Reutlingen for Organisation, Solidarity & Actions)

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
wir freuen uns, dass ihr so zahlreich gekommen seid.
Ich spreche heute für die Reutlinger Gruppe ROSA, Reutlingen for Organisation, Solidarity and
Actions. ROSA ist ein Zusammenschluss aus politisch interessierten Menschen, die sich ein Mal
im Monat bei einem offenen Treffen im Haus der Jugend austauschen und Veranstaltungen zu verschiedenen
politischen Themen organisieren.
Wir haben das Bündnis, welches heute zum Protest gegen den AfD-Neujahrsempfang mobilisiert
hat, ins Leben gerufen. Wir sind stolz darauf, dass dieses Bündnis mittlerweile aus über 25 Gruppierungen
besteht, welches ein breites Spektrum der Zivilgesellschaft widerspiegelt.
Wir sind heute hier, um gemeinsam mit euch allen für eine gerechte, freie und solidarische Gesellschaft
zu demonstrieren. Doch dazu später mehr.
Heute lädt die AfD zum 6. Mal in Folge zum Neujahresempfang im städtischen Spitalhof ein. Auch
dieses Jahr wird dieses Treffen zum Ort der Vernetzung nationalkonservativer bis rechtsradikaler
Kräfte aus Reutlingen und der Region. Wir wollen dieser Zusammenkunft auch in diesem Jahr
konsequent entgegentreten. Denn wo die AfD auf offenen Widerstand trifft, ist sie nachweislich
schlechter aufgestellt und hat Probleme, Räumlichkeiten anzumieten. Es ist ein Skandal, dass
eine Partei, die vom Verfassungsschutz als Prüffall eingestuft ist, nach wie vor städtische Räumlichkeiten
bekommt. Man stelle sich doch ein mal vor, die NPD dürfte regelmäßig im städtischen
Spitalhof ihr Unwesen treiben. Dazu ein passendes Zitat von Franziska Schreiber, welche lange
Jahre Mitglied in der AfD war: „Die AfD ist so radikal wie die NPD, aber schlauer“.
Schauen wir uns den AfD Kreisverband Reutlingen doch einmal genauer an. Erst kürzlich teilte der
AfD Kreisverband Reutlingen auf Facebook einen Post zu den Dieselfahrverbotsdemos in Stuttgart.
Der geteilte Post stammte nicht von der AfD, sondern von einer Gruppe namens „Ohmenhausen
sagt Nein“. Diese Gruppierung hat auf Facebook als Titelbild einen Adler vor einer schwarz-weißroten
Fahne. Diese Fahne, auch als Reichskriegsflagge bekannt,wird regelmäßig bei Nazi- Demonstrationen
gezeigt. Es ist eine offene Bezugnahme zu rechtsradikalen Kreisen. Die zitierte
Gruppierung hetzt im Netz kontinuierlich gegen geflüchtete Menschen.
Das ist kein Zufall und es ist auch niemand beim Tippen auf der Maus ausgerutscht. Die Verbindungen
der Reutlinger AfD reichen bis zur Ortsgruppe der „Identitären Bewegung“ und ins rechte
Hooligan-Milleu. Diese Verbindungen stehen in direkter Linie zum sogenannten Stuttgarter Aufruf,
den auch der örtliche Kreisverband durch Hans-Jörg Schrade unterzeichnet hat. Dieser Aufruf
versteht sich als Stellungnahme gegen jegliche Parteiausschlussverfahren innerhalb der AfD.
Dies zeigt ein mal mehr, was für Leute sich heute im Spitalhof zum Stell-Dich-Ein treffen.
Wir fordern die Stadtverwaltung dazu auf, diesen undemokratischen Kräften in Zukunft keine
Räumlichkeiten mehr zur Verfügung zu stellen.
Wir wollen aber nicht nur über die AfD reden. Uns ist wichtig, eigene Inhalte auf die Tagesordnung
zu setzen. Wir, die Gruppe ROSA, stehen für ein gutes Leben für Alle. Dies ist unabhängig von
Herkunft, Geschlecht, sozialem Status und sexueller Orientierung. Wir wollen eine Stadt, in der es
möglich ist zu leben, ohne Angst vor rechten Übergriffen zu haben. Wir wollen eine Stadt, die ALLEN
ermöglicht, am Leben teilzuhaben. Wir wollen eine Stadt, die sich als sicheren Hafen versteht und sich mit der Seenotrettung solidarisiert.
Der Kampf für eine Stadt für Alle, ist der Kampf von uns allen. Wir müssen uns Stark machen für
bezahlbaren Wohnraum, barrierefreie Innenstädte, kostenlosen Nahverkehr und Räume für die
freie Entfaltung von Kunst, Politik und Kultur. Diese Räume sind uns besonders wichtig, da sie
eine Perspektive für eine Gesellschaft jenseits kapitalistischer Verwertungslogik und patriarchaler
Verhältnisse schafft.
Doch auch außerhalb dieser Räume liegt es an uns allen, liebe Reutlingerinnen und Reutlinger, für
eine weltoffene und aufgeschlossene Gesellschaft einzutreten. Diesem ZIEL steht unter anderem
die AfD im Wege. Ein Grund mehr, diese konsequent zu bekämpfen.
Lasst uns nun eine lautstarkes und entschlossenes Zeichen gegen menschenfeindliche Politik
setzen. Gemeinsam und solidarisch für die befreite Gesellschaft!
Danke fürs Zuhören.

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2. Redebeitrag OTFR (Offenes Treffen gegen Faschismus & Rassismus) Tübingen

Ich bin schwul. Diese drei Worte – „ich bin schwul“ – gehen mir mittlerweile leicht über die Lippen,
aber das war nicht immer so. Als ich merkte, dass ich auf Männer stehe, habe ich nicht verstanden,
was passiert und habe mich gefühlt, als wäre das etwas Schlechtes. Als ich meiner Mutter
„gestand“, dass ich schwul bin, heulte ich, stotterte, brachte die Worte nicht heraus. Damals war
ich 16. Jetzt bin ich 21.
Ich hatte zu diesem Zeitpunkt wenig über Homosexualität gehört. In der Schule wurde das Thema
nie wirklich thematisiert. Es wurde kurz angeschnitten, aber das war’s.
Dadurch hatte ich einfach keine Ahnung, dass es vollkommen normal ist, auf Männer zu stehen,
weil es einfach ein Tabuthema war. Deswegen ist es so wichtig, dass Homo-, Bi- und Transsexualität
im Unterricht behandelt werden – damit Menschen, die eine nicht-heteronormative sexuelle
Orientierung oder Identität haben, wissen, dass es vollkommen okay ist, homo-, bi-, oder
trans-, oder intersexuell zu sein.
In Baden-Württemberg gibt es mittlerweile seit 2016 einen Bildungsplan, der beinhaltet, dass über
die Vielfalt von sexuellen Orientierungen und Identitäten unterrichtet wird.
Und das ist unheimlich wichtig, damit queere Menschen zunächst sich selbst akzeptieren können
und im nächsten Schritt auch von der Gesellschaft akzeptiert werden. Nicht weiter überraschend
ist es, dass die sogenannte AfD, die heute hier tagt, gegen den Bildungsplan wetterte. Ich zitiere
aus dem Wahlprogramm der AfD in Baden-Württemberg: „Im Zeichen der Verantwortung für
unsere Kinder steht die Forderung der AfD nach Beendigung der Frühsexualisierung und anderer
ideologischer Beeinflussungen in Schulen und sogar Kindergärten, wie sie der grün-rote Aktionsplan
und der Bildungsplan vorsehen. Ein Staat, der sein Bildungsmonopol für Eingriffe in die
Intimsphäre und ideologische Indoktrinationen der ihm anvertrauten Kinder missbraucht, ist auf
dem Weg zur Gesinnungsdiktatur“.
Es ist keine „Frühsexualisierung“, über verschiedene sexuelle Orientierungen und Identitäten
aufzuklären. Es geht nicht, wie die AfD behauptet, um das Unterrichten von Sexualpraktiken. Der
damalige Kultusminister Baden-Württemberg, Andreas Stoch, drückte es so aus: „Das wirkliche
Missverständnis war, dass es nicht um Sexualkunde ging, sondern um einen neuen Bildungsplan,
also um den Lehrplan für die nächsten Jahre. In dem wollten wir fächerübergreifend das Thema
Toleranz verankern gegenüber nicht heterosexuellen Menschen. Es ging dabei nie um Sexualpraktiken,
wie das von böswilligen Menschen unterstellt wurde.“ Die AfD macht also das, was sie
immer macht: Fakten verdrehen und Minderheiten in den Dreck ziehen.
Sobald es darum geht, zu vermitteln, dass es eben nicht nur die heterosexuelle Beziehung gibt,
fängt die AfD an, zu hetzen, weil es nicht in ihr rechtes Menschenbild passt. Des Weiteren schrieb
die AfD in ihrem Wahlprogramm, ich zitiere, „nirgendwo gibt es heute noch nennenswerte Diskriminierung
Homosexueller und anderer sexueller Minderheiten“. Diese Aussage ist nicht nur
falsch und ignorant, sondern einfach nur widerwärtig, wenn man bedenkt, dass in acht Staaten für
Homosexualität die Todesstrafe verhängt wird.
In 19 weiteren Staaten gibt es Gesetze, die Menschen bestrafen, die sich positiv zu Homosexualität
äußern. Das sind 10% der UN-Staaten! In 37% der UN-Staaten ist Homosexualität illegal. Es gibt
faktisch also Diskriminierung und es ist eine Lüge, das zu verneinen! Aber die AfD verdreht ja gerne
mal Fakten, in der Hoffnung, dadurch Wählerstimmen zu ergattern. Und wir müssen nicht mal
auf die Weltkarte schauen, um Diskriminierung von LSBTTIQ zu benennen. Auch in der Bundesrepublik
Deutschland gibt es nämlich de facto Diskriminierung und Gewalt gegen LSBTTIQ.
Bis letztes Jahr durften wir nicht mal heiraten oder Kinder adoptieren, obwohl es genug Studien
gibt, die beweisen, dass es Kindern in Familien mit homosexuellen Müttern oder Vätern genauso gut oder sogar besser geht wie in Familien mit einem Vater und einer Mutter.
Ausschlaggebend ist nämlich nicht die sexuelle Orientierung, sondern lediglich, wie gut sich die
Eltern um das Kind kümmern.
Diskriminiert werden Männer, die Sex mit Männern haben, aber auch bei anderen Sachen, zum
Beispiel bei der Blutspende. Bis 2017 waren homo- und bisexuelle Männer komplett von der Blutspende
ausgeschlossen – die Begründung war die durchschnittlich höhere HIV-Infektionsrate bei
Männern, die Sex mit Männern haben. Diese Begründung ist aber sehr fahrlässig. Auch wenn 60%
der HIV-Neuinfektionen tatsächlich homo- und bisexuelle Männer sind, ist der allergrößte Teil,
also über 95%, der homo- und bisexuellen Menschen in der BRD nicht mit HIV infiziert. Außerdem
ist es Schwachsinn, die sexuelle Orientierung als Ausschlusskriterium zu nehmen. Viel sinnvoller
wäre es, nach dem Risikoverhalten zu entscheiden. Mal abgesehen davon, dass das gespendete
Blut sowieso auf Krankheiten getestet wird und bei Infektionen gar nicht in den*die Patient*in
gelangt. Die neue Regelung bei der Blutspende sieht vor, dass Homosexuelle ein Jahr kein Sex
haben dürfen, bevor sie Blut spenden „dürfen“. Dabei werden zum Beispiel auch Homosexuelle
ausgeschlossen, die in einer monogamen Beziehung leben oder generell die Regeln des Safer Sex
beachten. Heterosexuelle hingegen werden nur für vier Monate nach einem Risikokontakt ausgeschlossen,
das heißt, wenn die Gefahr hoch ist, dass der*die Sexualpartner*in eine Infektion
haben könnte.
Die Andersbehandlung bei der Blutspende zeigt exemplarisch, dass es Diskriminierung gibt. Mal
abgesehen davon, dass es regelmäßig Angriffe auf Homosexuelle gibt. So wurde zum Beispiel erst
letztes Jahr im Sommer ein Freund von mir in Stuttgart verprügelt, nur weil er laut den Angreifern
„zu schwul aussehe“. Solche Anfeindungen erlebe ich auch regelmäßig.
Auch behauptet die AfD, ich zitiere: „Der grün-rote Kampf gegen die angeblich allgegenwärtige
Diskriminierung […] hat die Zerstörung der traditionellen Familie und die Auflösung der geschlechtlichen
Identität von Mann und Frau zu seinem eigentlichen Ziel.“
Ähm, nein. Warum sollten wir das wollen? Was hätten wir davon? Ich glaube, mehr muss man
dazu nicht sagen.
Es gibt bei der AfD zwar auch Homosexuelle. Sie lassen sich von Feindbildern der AfD überzeugen,
dass Geflüchtete Homosexuellen gegenüber feindlich eingestellt seien. Zum Glück sind es aber
die wenigsten Homosexuellen, die diesen Rassismus unterstützen. Ich kann dazu nur eines sagen:
Homosexuelle in der AfD sind wie Kühe beim Metzgerverband.
Das beste Beispiel ist da ja Alice Weidel, die selbst Kinder mit ihrer Lebenspartnerin in der
Schweiz adoptiert hat, aber trotzdem Fraktionsvorsitzende einer Partei ist, die das vollkommen
ablehnt. An dieser Stelle geht es mir nicht darum, Weidel wegen ihrer sexuellen Orientierung
zu diskriminieren. Ich kritisiere sie an dieser Stelle für den eindeutigen logischen Widerspruch,
selbst lesbisch zu sein und trotzdem ein ausschließlich heteronormatives und heterosexistisches
Weltbild zu unterstützen und sogar öffentlich zu vertreten.
Um zum Ende zu kommen: Die AfD ist eine homophobe Partei, die sich Hetze zu ihrer persönlichen
Aufgabe macht. Es ist wichtig, dass wir gegen diese Partei demonstrieren, die mit plumpen
Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus gegen Minderheiten hetzt und Feindbilder schürt.
Deswegen lasst uns heute unsere Stimme erheben gegen Rassismus, Sexismus, Homophobie und
Faschismus! Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda!

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3. Grußwort DGB (Deutscher Gewerkschaftsbund)

Ich bin sehr glücklich, mich mit euch an diesem Freitag zu Treffen und ein Zeichen gegen die
Werte und Positionen der AfD, die sich am heutigen Tage noch im Spitalhof vernetzt, zu setzen. Ich
möchte mich herzlich bei all den Organisationen und besonders ROSA bedanken, die im Rahmen
der Bündnisarbeit zusammengefunden und diese Demonstration verwirklicht haben.
Regionale Bündnisarbeit wie diese zeigt, dass ich mit meinem Umzug nach Reutlingen in eine solidarische
Gemeinschaft gezogen bin. Wir sind viele!
Bereits am 13. Oktober 2018 in Berlin zeigten mehr als 240.000 Menschen aus ganz Deutschland
in bunten und kreativen Aktionen ihre Werte und Vorstellungen und vor allem, dass sie Unteilbar
waren: Solidarisch und Gemeinsam.
„Sagt es laut, sagt es klar, wir sind alle unteilbar“
Die Vergangenheit musste uns zeigen, dass Gewerkschaften in Deutschland nicht gut mit nationalen
und autoritären Systemen zurecht kommen können. Nicht nur an den Feiertagen zum 1.
Mai erinnern wir uns daran, dass unsere Lebensbedingungen von starken Bewegungen erkämpft
wurden. Starke Kämpfe führen viele von uns jeden Tag: In diesem Sinne sende ich Grüße an die
Beschäftigten im öffentlichen Dienst und den vielen weiteren Kolleginnen und Kollegen, die für
bessere Arbeitsbedingungen einstehen und wünsche weiterhin erfolgreiche Aktionen für ein wertschätzendes
Tarifergebnis.
Vor allem an die Care-Berufe, also z.B. Pflegende, Erziehende und Lehrende, hiermit einen solidarischen
Gruß.
Als im Jahr 1991 Geborene bin ich damit aufgewachsen, dass die NPD zwar existiert, aber man
sich darüber keine Gedanken machen muss. Nationales Denken und handeln ist grundsätzlich keine
Option in meinem Umfeld gewesen. Die AfD wird bald 6. Jahre alt. Von „Europakritik“ zu „Leitkultur“
haben wir sie begleitet.
Hiermit also einen Gruß an die Bürgerinnen und Bürger, die sich heute im Spitalhof vermutlich
über Angst, Kontrolle, Vorurteile und Sicherheit unterhalten: sprechen Sie darüber. Aber nicht mit
der AfD. Sie löst ihr Problem nicht solidarisch und gemeinsam, sondern will Probleme am Liebsten
einfach verschwinden lassen, abschieben, vertagen. Wie lange können Sie sich bei der Sprunghaftigkeit
dieser Partei sicher sein, keines zu sein?
Ich bedanke mich für das bunte Engagement und wünsche uns noch einen guten Verlauf.

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4. Redebeitrag Kulturschock Zelle e.V.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde,
zunächst einmal freut es uns wahnsinnig, was wir gemeinsam in den letzten Wochen auf die Beine
gestellt haben. Wenn wir sehen, wie viele von uns heute hier im kalten Februar zusammengekommen
sind, macht das Mut. Auch schön zu sehen, dass sich ganz unterschiedliche Menschen sich
hier versammelt haben. Dieses Bündnis spricht alle Menschen an und scheinbar auch vielen aus
der Seele. Die AfD hat gar nicht das Interesse, für alle Menschen zu sprechen – höchstens, wenn
es darum geht, Wählerstimmen abzugreifen. Aussagen in der Vergangenheit und das Grundsatzprogramm
der AfD entlarven dies aber als bloßen Populismus und zeigen, dass die AfD im Kern
nicht nur rechtspopulistisch, sondern auch knallhart neoliberal ist.
Klar, im Grundsatzprogramm steht, dass Mittel- und Geringverdiener entlastet werden sollen
und der Mindestlohn beibehalten werden soll. Dennoch gibt es genügend Punkte, die dem widersprechen.
Das geht schon da los, dass nicht klar beziffert ist, wie hoch der Mindestlohn sein soll.
Außerdem haben einige Parteimitglieder sich sehr kritisch zum Mindestlohn geäußert, „Jobkiller“
wurde er unter anderem genannt. Es gibt aber auch einige Punkte, die noch klarer zeigen, dass
die AfD eine Politik zugunsten der Wohlverdienenden verfolgt. Die Vermögens- und Erbschaftssteuer
soll abgeschafft werden. Wer profitiert denn von solchen Steuersenkungen? Fast nur die
Reichen. Auch die Gewerbesteuer soll „überprüft“ werden. Hiervon profitieren auch nur Unternehmen
bzw. die vermögenden Menschen, die an der Spitze dieser Unternehmen stehen. Wenn das
umgesetzt wird, was die AfD fordert, werden aber nicht nur die Reichen entlastet, sondern sogar
die Armen belastet. Zum Thema Steuern gibt es noch einen weiteren Punkt. Die AFD fordert die
„Wiederherstellung des Bank- und Steuergeheimnisses“. Natürlich gibt Sie offiziell als Grund an,
dass Sie nicht den gläsernen Bürger will. Die Hauptmotivation für diese Forderung ist aber eine
andere: Vermögenden Menschen wird es so nämlich noch einfacher, Steuern zu hinterziehen und
der Allgemeinheit noch mehr zu schaden. Anstatt dass der Staat an Rettungsgeldern für verbrecherische
Banken spart, soll an den Sozialversicherungen gespart werden. Die Menschen sollen
sich am besten selbst privat versichern. Davon profitieren wieder die privaten Versicherungen, da
Sie zumindest die Menschen als neue Kunden gewinnen, die sich das halbwegs leisten können.
Menschen, die sich das gar nicht leisten können, geht es wie einigen Menschen in den Vereinigten
Staaten. Dort leiden Menschen, weil sie kein Geld für einen Arztbesuch haben. Die AfD schreibt in
Ihrem Grundsatzprogramm auch, dass „Eigentum, Eigenverantwortlichkeit und freie Preisbildung“
wichtige Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft sind. Das, was die AfD will, ist höchstens eine
asoziale Marktwirtschaft.
Klingt das alles etwa nach einer Partei des kleinen Mannes oder der kleinen Frau? Nicht im Geringsten.
Die AfD verkauft sich aber als genau solche. Das Problem ist, dass die von der AfD angeheizte
Debatte um die Geflüchtetensituation diesen ganzen neoliberalen, elitären Mist überschattet
und deshalb nur wenige sich mit diesen Punkten beschäftigen. Denn sonst würde die Maske
fallen und ein großer Teil der Wähler*innen, die aus der unteren Einkommensschicht kommen,
würde der AfD den Rücken kehren.
Den Menschen muss einfach eines klar werden: Vor 10 Jahren gab es hier auch schon viel zu viel
Armut. Und eine AfD hat überhaupt kein Interesse daran, etwas daran zu ändern. Es bringt nichts,
wenn die Armen gegen die Armen hetzen. Wir müssen zusammenstehen und gemeinsam den
Bonzen und Betrügern sagen „Nicht mit uns!“.
Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freundinnen und Freunde: Nehmt euch was Sie euch genommen!
Nehmt euch das, was euch gehört! Und kein Fußbreit diesen neoliberalen Faschisten!

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5. Redebeitrag Ruben Neugebauer (Sea-Watch)

Vielen Dank, dass ich heute hier sprechen darf. Normalerweise rede ich bei solchen Angelegenheiten
immer über das Mittelmeer. Ich bin auch eigentlich für Sea-Watch hier, eine Seenotrettungsorganisation,
die ich 2015 mitgegründet habe, weil wir der Europäischen Politik des Sterbenlassens
etwas entgegen setzen wollten.
Wer dazu Fragen hat, kann sich gerne nachher melden, das ist ja auch ein aktuelles Thema, bei
dem die AFD durch menschenverachtende Ignoranz glänzt. Hier habe ich heute aber ein persönliches
Anliegen. Mit meinem Beitrag jetzt, möchte ich mich direkt an Hans Jörg Schrade richten.
Ich habe lange über die Ansprache gegrübelt, das “Lieber Hans Jörg” würde ich mir gerne sparen
und auch ein “sehr geehrter” erschiene mir unpassend, ohnehin kennen wir uns dafür zu gut. Ich
belasse es also bei Hans Jörg.
Ich erinnere mich gut an eine Diskussion, die wir vor einigen Jahren geführt haben. Ich war damals
hier in Reutlingen auf der Schule und mit Deiner Tochter befreundet, wir haben gemeinsam
Musik gemacht. Es ging in dieser Diskussion um Migration und wir hatten aus heutiger Sicht vertauschte
Rollen. Du warst dafür, ich dagegen. Es ging um die Migration von Bananen und Tropenobst
und um deren Klimafolgen. Ich hatte aufgrund der immensen Klimawirkung dafür plädiert
weniger Bananen und mehr deutsche Äpfel zu essen, du lobbyiertest für bunten, transnationalen
Obstsalat. Als Biohändler warst Du weit besser im Thema und hast einige Argumente vorgebracht,
die mich überzeugt haben, es ging um aufwändige Lagerung meiner vermeintlich klimafreundlichen
Äpfel. Wir haben eine gute und sachliche Diskussion geführt, so wie Du sie heute, wie Du
immer wieder schreibst, so häufig vermisst. Ja, Hans Jörg, das waren damals Themen, über die
man sachlich diskutieren kann und ich habe das auch gern getan. Was aus der Diskussion damals
aber auch deutlich wurde, ist dass es ohne Migration um diese Jahreszeit vor allem braune Kartoffeln
gäbe.
Mit solchen umgibst Du Dich heute sehr gerne und ich meine damit nicht das Gemüse. Man müsse
„rechte Leute mit offenen Armen aufnehmen“ hast Du nach der Parteigründung der sogenannten
Alternative für Deutschland der Zeit erzählt, es seien ohnehin zu wenige, um Einfluss auf den Kurs
der Partei zu nehmen.
Das war noch zu Zeiten von Bernd Lucke. Viele derer, die man vielleicht noch als gemäßigt durchgehen
lassen könnte, haben diese Partei seither aus guten Gründen verlassen. Diese Partei wird
heute dominiert von Leuten wie Gauland, der auf die Leistungen der Wehrmacht stolz ist. Vom
anderen Bernd der AFD, Höcke brauchen wir ja garnicht anzufangen.
Als ich damals hier in Reutlingen zur Schule ging hatte ich einen sehr guten Geschichtslehrer und
wir haben ausführlich über das dritte Reich gesprochen. Es gab aber eine Frage, die ich mir damals
nicht beantworten konnte, das war die Frage danach, wie es damals so schnell gehen konnte,
wie eine so menschenverachtende Ideologie so schnell um sich greifen konnte. Nun wiederholt
sich Geschichte nicht, aber die Parallelen sind doch unverkennbar und so habe ich heute zwar
keine Antwort darauf, aber doch eine Ahnung: Wegen Leuten wie Dir, Hans Jörg.
Wegen Leuten wie Dir. Leuten, die mit Nazis paktieren um ein Pöstchen in der Partei und vllt mal
ein Mandat im Parlament zu bekommen, die bei der AFD endlich mal ihre narzisstische Ader voll
ausleben können. Das war es doch, was Du bei den Grünen vermisst hast Hans Jörg, dass Dir und
Deinen Ideen endlich Beachtung geschenkt wird, dass Dir zugehört wird, notfalls jetzt halt auch
von Rechtsradikalen.
Ja, es geht und es ging nicht nur um die Schlägertrupps, sondern auch um Leute wie Dich, die sich
rhetorisch geschickt, als eigentlich liberale Biedermänner framen, die nur mal sachlich diskutieren
wollen und gleichzeitig dem Hass den Weg bereiten.
Im Geschichtsunterricht hatten wir ein Wort für diese Leute: Steigbügelhalter. Ich habe mich damals
im Geschichtsunterricht gefragt, wie die Nationalkonservativen eigentlich so blöd sein konnten,
den zahlenmäßig noch schwächeren Nazis die Möglichkeit zu geben die Macht zu ergreifen.
Diese Frage stelle ich mir heute immernoch und ich möchte sie Dir stellen, Hans Jörg.
Es gibt Dinge Hans Jörg, über die muss man nicht diskutieren, auch nicht sachlich. Im Grundgesetz
gibt es deshalb die Ewigkeitsklausel. Die gibt es, damit Deine neuen Parteifreunde bestimmte
Dinge nicht sachlich zur Diskussion stellen können und das ist sehr gut so. Die Würde des Menschen
ist unantastbar, ist zum Beispiel einer dieser Grundsätze, die aus gutem Grund nicht sachlich
zur Diskussion gestellt werden. Und nur weil das einigen immer nicht klar zu sein scheint, es
heißt da „Die Würde des Menschen ist unantastbar“…nicht die Würde des Deutschen, sondern tatsächlich
„die würde des Menschen.“ Und ja, zu diesen Grundsätzen gehört selbstverständlich auch
die Meinungsfreiheit! Deshalb darfst Du, leidergottseidank sehr viele Dinge ungestraft sagen und
sachlich diskutieren. Aber wenn Du auf Deinem Blog mit der Forderung nach Meinungsfreiheit den
Autoren Akif Pirincci verteidigst, der 74 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz auf widerwärtigste
Art und Weise die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt, dann frage ich mich schon, welche
Sicherungen bei Dir durchgebrannt sind. Und ja ich habe schon verstanden wie das Zitat gemeint
war und Nein, das macht es kein bisschen besser, das war keine Satire, das war ekelhaft!
Du warst auch einer der Ersten, die den Stuttgarter Aufruf unterzeichnet haben, ein Pamphlet, das
sich gegen Parteiausschlussverfahren von Leuten wie Bernd Höcke wendet.
Nein, Du bist kein Opfer mit dem keiner redet, Du bist ein geistiger Brandstifter.
Es geht eben nicht nur um die, die treten, sondern es geht auch um die, die drum herum stehen
und die Täter*innen gewähren lassen oder sie sogar in Schutz nehmen.
Ich möchte an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen, dass es kein reines AFD Problem ist, dass
Grundrechte zunehmend verwässert werden, dass Angst geschürt und Minderheiten an den Pranger
gestellt werden. Wir finden dieses Phänomen auch in anderen Parteien vor. In der Union sowieso
und der Tübinger Oberbürgermeister zum Beispiel ist jetzt auch kein Parteiloser. Wenn die
rechtsradikalen Ausfälle aber derart systematisch vorkommen, dass sich selbst der Verfassungsschutz
sein blindes rechtes Auge reibt, dann muss klar sein dass hier Grenzen überschritten sind.
Hans Jörg, es tut mir Leid, vor allem für Deine Töchter und Deine Frau, es wird nicht leicht für sie
sein einen Umgang mit Deinem politischen Engagement zu finden. Und ich weiss von Einigen, die
mit Dir befreundet waren oder sind, dass es ihnen schwer fällt und sie nicht wissen wie sie mit Dir
umgehen sollen. Da hätte ich allerdings einen Tipp.
Hans Jörg, wir haben zusammen Musik gemacht, deshalb möchte ich hier eine meiner Lieblingsbands
zitieren:
If you have a racist friend, Now is the time, now is the time, for your friendship to end. Be it your father
be it your mother, be it your cousin or your uncle or your brother. Be it your best friend or any other.
Change your views or change your friends. Now is the time, now is the time for your friendship to end.
Hans Jörg, man darf
Fehler machen, komm einfach da raus und mach was Vernünftiges, Öko Gemüse verkaufen zum
Beispiel, ich bin mir sicher Deine Linksgrünversifften Kunden, die Ecofit wegen Deinem politischen
Engagement boykottiert haben, würden´s Dir verzeihen, wenn Du der AFD und Deinen ewig gestrigen Positionen den Rücken kehrst, wenn Du mit uns gemeinsam eine solidarische Gesellschaft
der Vielen aufbaust. Ich bin dann auch gern bereit, mit Dir über die eine oder andere politische
Frage sachlich zu diskutieren, bei denen wir wahrscheinlich auch weiterhin unterschiedliche
Meinungen haben werden.
Aber mit Leuten, die mit Nazis gemeinsame Sache machen und nichts anderes sind Gauland,
Höcke und wie sie alle heissen, mit solchen Leuten habe ich nichts zu besprechen, oder um es mit
den Worten meiner Freunde von der Antilopengang zu sagen: Man kann und darf mit diesen Leuten
gar nicht mehr reden es sollte nur noch darum gehn ihnen das Handwerk zu legen.

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6. Redebeitrag Jessica Tatti (Die LINKE)

Liebe FreundInnen, liebe ReutlingerInnen,
ich freue mich, dass so viele heute hier sind, um das klare Zeichen zu setzen, dass die AfD in Reutlingen
unerwünscht ist. Sie konnte noch keine einzige Veranstaltung in Reutlingen vollziehen, ohne
unseren begleitenden lautstarken Protest – und das ist gut so!
Wer das gesellschaftliche Klima mit menschenverachtendem Gepöbel vergiftet, wer für jedes gesellschaftliche
Problem fälschlicherweise die Migration verantwortlich macht, wer versucht mit
Vorsatz Hass zu schüren, der wird sich von uns wieder und wieder anhören müssen, dass er nicht
willkommen ist!
Auch im Bundestag ist die AfD kaum zu ertragen. Es ist nicht nur der fremdenfeindliche Inhalt
ihrer Worte. Sie lassen mit ihrem höhnischen Gelächter, ihrem störenden Gehabe, ihren aggressiven
und permanenten Zwischenrufen jede Umgangskultur und jedes Benehmen vermissen.
Ich frage mich daher, welche Kultur und welche Werte es sein sollen, die die AfD hier vorgibt zu
verteidigen.
Sie geniert sich nicht einmal, sich zur Verteidigerin von Frauenrechten aufzuschwingen, die gegen
geflüchtete Männer und den Islam geschützt werden müssten. Dabei ist sie es selbst, die ein
gestriges Frauenbild vorantreibt, das die Frau zurück an Heim und Herd verfrachten soll. Nicht mit
uns!
In Wahrheit müssen die Werte der Demokratie, Gleichstellung und des sozialen Zusammenhalts
gegen die AfD verteidigt werden.
Es geht ihr nicht um den so genannten „kleinen Mann“, was sie glauben machen möchte.
Das Wirtschaftsprogramm der AfD ist zutiefst neoliberal, fordert weitere Privatisierungen und
lehnt eine stärkere Besteuerung von Superreichen ab.
Die AfD stellt sich vehement gegen öffentlichen Wohnungsbau und jede Regulierung von Mieten.
Was den Menschen das Leben heute schon schwer genug macht, wollen die noch vorantreiben
und verschärfen!
Wenn es im Bundestag um die Sanktionen bei Hartz IV geht oder um Massenentlassungen bei
profitablen Unternehmen – dann steht die AfD niemals an der Seite der Menschen, die endlich von
der Politik geschützt werden müssen – sondern sie zeigt sich wirtschaftsdevot und steht stramm
an der Seite des Kapitals.
Die AfD missbraucht auf schändliche Weise die sozialen Missstände, die mit den Nährboden für
ihren Einzug in die Landtage und in den Bundestag bereitet haben. Sie will sie auch nicht beseitigen.
Die AfD braucht das alles für ihre Stimmungsmache gegen Flüchtlinge und Muslime. Die Höckes,
Gaulands und Weidels missbrauchen ihre Mandate, um rechtsextremes Gedankengut wieder
aussprechbar zu machen.
Aber weder geflüchtete oder muslimische Menschen sind es, die uns bedrohen, sondern der fahrlässige
Sozialstaatsabbau der vergangenen Jahrzehnte.
Die Bedrohung heißt Altersarmut, sie heißt Wohnungsnot und Niedriglöhne, ungerechte Verteilung
der Vermögen. Sie heißt Aufrüstung für Abermilliarden und sie heißt Rassismus.
Gegen diese Missstände müssen wir eintreten und den Menschen zeigen, dass ihre realen Probleme
in der politischen Debatte, außerparlamentarisch und in den Parlamenten, wieder eine ernsthafte Rolle spielen. Die AfD hat kein einziges vernünftiges Angebot für sie.
Wer gegen Gruppen von Menschen mit Hass und Hetze Politik betreibt, wird es bald auch gegen
weitere tun.
Gegen Rassismus, Antisemitismus und andere Herabwürdigungen von Personengruppen muss
immer auch heißen gegen soziale Spaltung.
Denn in einer sozial gerechten Gesellschaft haben rechtsextreme Kräfte keine Angriffsfläche und
keine Sündenböcke, die angeblich Schuld am Leid anderer sind.
Deshalb ist es so wichtig, dass heute von uns das unmissverständliche Signal ausgeht, dass Solidarität
und nicht Spaltung die Grundlage unseres Zusammenlebens bildet und, dass wir entschlossen
für diese solidarische Gesellschaft einstehen. Die AfD hat in ihr keinen Platz!